TPRS

TPRS ist eine Abkürzung für „Teaching Proficiency through Reading and Storytelling“ und beschreibt eine Lehrmethode, die von Blaine Ray, einem Spanischlehrer aus den USA, in den 1990er Jahren entwickelt wurde. Während Ray eigentlich mit einer Methode namens Total Physical Response (TPR – Erklärungen dazu in der TPR Spalte) begann, ist das klassische TPR heute ein relativ kleiner Teil von TPRS. Stattdessen stützt sich TPRS auf die Forschungsarbeit von Wissenschaftlern wie Bill VanPatten und Stephen Krashen, die die Ansicht vertreten, dass der beste Weg, um Schüler*innen zu helfen, eine Fremdsprache zu lernen, darin besteht, sie einer großen Menge an verständlichem Input auszusetzen. Dabei helfen einige Schritte (siehe unten) und Techniken den Lehrkräften, diesen Input zu liefern, indem sie die im Klassenzimmer gesprochene Sprache stets verständlich machen. TPRS-Techniken spielen auch eine große Rolle bei anderen Input-basierten Methoden wie beispielsweise Movie-Talks oder One-Word-Images.

 

Die Schritte von TPRS

TPRS ist im Großen und Ganzen in drei Schritte unterteilt. Genauere Erläuterungen folgen unten detailliert aufgelistet. Hier ein kurzer Überblick: Im ersten Schritt werden die zu erlernenden neuen Vokabelstrukturen mit einer Kombination aus Übersetzung, Gesten und personalisierten Fragen gelehrt; im zweiten Schritt werden diese Strukturen in einer Klassengeschichte verwendet; und schließlich werden im dritten Schritt dieselben Strukturen durch das Lesen eines Textes vertieft. Während dieser Schritte machen die Lehrkräfte die Zielsprache für die Schüler*innen verständlich, indem sie den Wortschatz sorgfältig einschränken, häufig Verständnisfragen stellen und sehr kurze Erklärungen zur Grammatik, die so genannte „Pop-up-Grammatik“, verwenden. Viele TPRS-Lehrkräfte nutzen auch andere input-basierte Aktivitäten wie das Lesen eines Klassenromans oder das Erstellen von One-Word-Images.

 

Schritt 1: Klarheit über Bedeutung schaffen

 

Neuer Wortschatz: Man schreibt einfach den neuen Wortschatz mit deutscher Übersetzung an die Tafel und stellt so viele kontextualisierte Wiederholungen der neuen Wörter und Zielstrukturen wie möglich zur Verfügung. Dies legt die Grundlage für die Erkennung der Strukturen durch die Schüler*innen während der Erzählung (Schritt zwei).

 

Beispiel: Gelernt werden soll das Wort „garçon“ (Junge). Man schreibt also „garçon = Junge“ an die Tafel und spricht dann ein z.B. Mädchen mit der Frage „tu es un garçon?“ an. Die Lehrkraft versucht, das Wort „garçon“ oft in unterschiedlichen aber einleuchtenden Kontexten zu verwenden, damit es besser im Gehirn der Schüler*innen verankert wird. Weitere Fragen könnten sein: wie viele Jungen haben wir in der Klasse? Bin ich ein Junge? Wer ist kein Junge? 

 

Zielstrukturen: Im Allgemeinen ist es am besten, die Lektion auf weniger als drei Zielstrukturen zu beschränken, damit die Lehrkraft sich auf diese konzentrieren und den Schüler*innen viele Wiederholungen bieten kann. Drei mögliche Zielstrukturen im Französischen wären "ne veut pas", "a besoin de" und "veut faire".

 

Gesten: Die Lehrkraft kann sich dafür entscheiden, die neuen Sätze mit Hilfe von Gesten zu üben, in einem Stil, der dem traditionellen TPR nachempfunden ist. Dies gibt den Schüler*innen die Möglichkeit, sich an den Klang der Sätze zu gewöhnen, bevor sie sie im Kontext hören. Das Einüben der Gesten ist oft sehr witzig und fördert das positive Lernklima. Wenn die Lehrkraft später zur Erzählung übergeht, unterstützt die Ausführung der Geste beim Sprechen die Verständlichkeit der Sprache.

 

PQA: Ist eine Abkürzung für "Personalized Questions and Answers". Die Lehrkraft stellt Fragen über die Schüler*innen, wobei das neue Vokabular und die Zielstrukturen verwendet werden. Diese Fragen werden als Personalisierte Fragen und Antworten (PQA) bezeichnet. Wenn die Zielstruktur z.B. "gerne essen" lautet, wären einige PQA-Fragen: "Was essen Sie gerne zum Nachtisch?" oder "Was haben Sie als Kind gerne gegessen? Um sicherzustellen, dass diese Fragen für die Schüler*innen verständlich sind, setzt die Lehrkraft eine Vielzahl von Techniken ein, wie z.B. Verständnis-Checks ein. Einfach immer wieder nachfragen, was das gerade Gesagte bedeutet. Oft sieht man allerdings an den Augen der Schüler*innen, ob sie dem Gesagten noch folgen können oder ob sie nichts mehr verstehen. Die von der Lehrkraft bei PQA entdeckten Details werden oft als Grundlage für Schritt zwei, die Klassengeschichte, verwendet.

 

Schritt 2: Die Klassengeschichte 

Wenn die Schüler*innen wissen, was das neue Vokabular bedeutet, ist es an der Zeit, dass sie dieses viele Male im Kontext einer Unterrichtsgeschichte hören. Diese Geschichte ist in der Regel kurz, einfach, interessant und enthält mehrere Instanzen der im Kontext verwendeten Zielstrukturen. Die Sprache wird langsam und klar gesprochen, so dass die Schüler*innen sie verstehen und sich die verwendete Sprache aneignen können. Durch die Technik des „circling“ wird die Anzahl der Wiederholungen der Strukturen weiter erhöht.

 

Fragen, nicht erzählen: Die Lehrkraft erzählt keine fixe Geschichte, sondern „erfragt“ die Geschichte bei den Schüler*innen. Die Lehrkraft verwendet normalerweise ein grobes Gerüst der Geschichte als Skript mit sehr wenigen Details und arbeitet die Geschichte dann mit den von den Schüler*innen in der Zielsprache gelieferten Details aus, wobei sie für jede Klasse eine persönliche Geschichte erstellt. Die Geschichten sind für die Schüler*innen einfach spannender, wenn ihre eigenen Ideen verwendet werden. Die Ideen können gerne sehr kreativ oder auch etwas skurril sein. 

 

Details hinzufügen: Mit Hilfe des „circling“ können die Lehrkräfte neue Details erfragen, wobei die Verständlichkeit der Zielsprache erhalten bleibt. Fortgeschrittene TPRS-Lehrer können improvisieren und aus den Antworten der Schüler*innen auf Fragen zu den Vokabelstrukturen des Tages (PQA) Geschichten entwickeln. Der Schwerpunkt liegt dabei immer auf den Zielstrukturen. Das Hinzufügen von Details macht die Geschichte für die Schüler*innen interessant, denn sie sind diejenigen, die kreativ denken! Der Grund dafür, Geschichten zu fragen, anstatt sie zu erzählen (à la Story Listening), ist, dass die Schülerinnen und Schüler dadurch mehr Eigenverantwortung erhalten und einfach mehr bei der Sache sind. Gemeinsam bestimmen sie die Charaktere, den Schauplatz, die Details usw.

 

Verständnis erhalten: Wenn die Schüler*innen das Gesagte nicht verstehen, findet kein Spracherwerb statt. Um die Sprache verständlich zu halten, haben die TPRS-Lehrer mehrere Strategien entwickelt:

Pausieren und zeigen: „Pausieren und zeigen“ bedeutet einfach nur, dass man beim Sprechen immer wieder kurz pausiert und auf die entsprechende Stelle auf der Tafel zeigt, um die Bedeutung des Gesagten zu klären. 

 

Im Rahmen bleiben: Sogenannte „In-Bounds“-Strukturen sind alles, was für die Schüler*innen verständlich ist, wie Eigennamen, Cognates (Wörter, die in der Zielsprache ähnlich sind wie in der Muttersprache: problème/Problem oder personne/Person etc.), bereits erworbene Strukturen und der aktuelle Schwerpunkt der Lektion. Man sollte versuchen, die Wortwahl so weit wie möglich auf diese Dinge zu beschränken; wenn man jedoch die Notwendigkeit sieht, ein Wort zu verwenden, das für die Schüler*innen während der Erzählung unverständlich ist (ein "out of bounds"-Wort), sollte es zusammen mit einer Übersetzung an die Tafel geschrieben werden. Es könnte hilfreich sein, eine Liste mit den Strukturen zu führen, die sich die Schüler*innen angeeignet haben.

 

Schauspiel: Die Handlungen in der Geschichte können von Freiwilligen aus der Klasse nachgespielt werden. Wenn die Lehrkraft eine Aussage macht, die die Handlung der Geschichte vorantreibt, spielen die Schauspieler diese Aussage nach und warten dann, während die Lehrkraft mit den „Circling“-Fragen weitermacht. Im Idealfall handeln die Schauspieler auf humorvolle, emotionale oder anderweitig einprägsame Weise. Dies hilft den Schüler*innen, visuelle und emotionale Verbindungen zu den neuen Sprachstrukturen herzustellen, die sie hören. Durch den Einsatz von Schauspielern ist die Lehrkraft in der Lage, andere Verbformen als die der dritten Person Singular leicht einzubauen.

 

Drei Schauplätze: Die Geschichte findet oft an verschiedenen Orten statt. Die Hauptfigur in der Geschichte kann an einem Ort mit einem Problem beginnen, das sie lösen muss. Sie kann sich an einen zweiten Ort begeben, wo sie versucht, das Problem zu lösen, aber scheitert. Dann könnte sie an einen dritten Ort weiterziehen, wo sie das Problem löst. Diese Erzählvorrichtung wird verwendet, um die Wiederholungen der Zielstrukturen zu maximieren und die Geschichte leicht verständlich zu machen.

 

Nacherzählung: Nachdem die Geschichte beendet ist, kann die Lehrkraft sie in einer kürzeren Form nacherzählen, oder sie kann die Schüler*innen bitten, sie in ihren eigenen Worten nachzuerzählen. Sie können in Paaren oder Gruppen nacherzählen oder ein/e (leistungsstarke/r) Schüler*in kann die Geschichte vor der Klasse nacherzählen. So können sie die Strukturen, die sie gerade gelernt haben, verwenden.

 

Schritt 3: Lesen

Zusammenfassung: In Schritt 3 lernen die Schüler*innen die Sprachstrukturen zu lesen, die sie in den vorangegangenen Schritten gehört haben. Alles, was gelesen wird, muss für die Schüler*innen verständlich sein. Dies bedeutet, dass es einen nur sehr geringen Anteil an unbekannten Wörtern geben darf (wenn überhaupt); allerdings kann der zu lesende Text auf einem etwas höheren Niveau als die gesprochene Klassengeschichte liegen, weil die Cognates (Wörter, die in beiden Sprachen ähnlich sind wie z.B personne und Person) niedergeschrieben besser zu erkennen sind und der Leser die Kontrolle über den Leseprozess hat (d.h. der Leser bestimmt die Lesegeschwindigkeit, Dinge können ggf. auch mehrfach gelesen werden, um besser verstanden zu werden). Insgesamt nimmt das Lesen etwa 50% der Zeit in einem TPRS-Klassenzimmer in Anspruch.

 

Lesen in der Klasse: Es gibt ganz unterschiedliche Leseaktivitäten in einer „CI-Klasse“, die erste und häufigste ist allerdings die Klassenlektüre, bei der die Schüler*innen eine Geschichte lesen, die dieselben Sprachstrukturen wie die Geschichte in Schritt zwei verwendet. Manchmal kann es sich um die genaue Geschichte in schriftlicher Form handeln, oder es kann eine völlig andere Geschichte sein, die jedoch dieselben Strukturen verwendet. Die Verwendung der Strukturen in einem neuen Kontext ist für den Spracherwerb hilfreicher als das bloße Schreiben der Klassengeschichte, weil wir nicht wollen, dass unsere Schülerinnen und Schüler die Klassengeschichte einfach auswendig lernen. Es gibt einen großen Unterschied zwischen „etwas auswendig lernen“ und „etwas verstehen“. 

 

Der Leseprozess: Es gibt viele Leseaktivitäten, die mit der Geschichte verbunden sind. Die grundlegendste Form des Klassenlesens ist jedoch die Übersetzung. Die Lehrkraft beginnt, indem sie die Geschichte laut vorliest, und die Schüler*innen übersetzen sie dann laut in ihre Muttersprache. Es wird übersetzt, um sicherzustellen, dass alle Schüler*innen die Bedeutung der Sprache genau verstanden haben. 

 

PQA: Während des Lesens bespricht die Lehrkraft das Gelesene in der Zielsprache mit der Klasse, indem sie persönliche Fragen stellt. Wenn es beispielsweise um eine Figur geht, die ein Auto hat, fragt die Lehrerkraft die Schüler*innen, ob sie ein Auto haben, welche Art Auto es ist usw. Dann kann die Lehrkraft die Schüler*innen in der Klasse mit der Figur in der Geschichte vergleichen. PQA ist oft sehr lustig und das darf es auch sein. Dabei sollten gewisse persönliche Grenzen der Schüler*innen natürlich nicht überschritten werden. Mit der Zeit entwickelt man aber ein gutes Gefühl dafür, was noch angebracht ist und was zu weit geht. 

 

Freie Lektüre: Nach den Klassenromanen ist die nächst häufigste Leseaktivität das freie freiwillige Lesen, bei dem die Schüler*innen jedes beliebige Buch in der Zielsprache lesen können.

  

Credit: dieser Text ist aus dem Englischen übersetzt mit einigen Ergänzungen. Der englische Originaltext wurde von Robert Lyon geschrieben und kann hier (http://teachingcomprehensibly.com/) gelesen werden. Die Übersetzung erfolgte selbstverständlich mit Einverständnis des Autors.